✔️ BEWERTUNGEN Nachrichten – Paris/Frankreich.
Die westlichen „News of the World“ weisen Ähnlichkeiten mit den heutigen Vereinigten Staaten auf. Die junge deutsche Schauspielerin Helena Zengel überzeugt im Netflix-Stream.
Draußen regnet es in Strömen, aber der Raum ist voll. Mit nasser Kleidung und schmutzigen Gesichtern sitzt das Publikum auf Stühlen, beleuchtet von ein paar Petroleumlampen. Sie sind gekommen, um die neuesten Nachrichten zu erfahren. Nicht aus dem Fernsehen oder Radio, sondern aus dem Mund von Kyle Kidd (Tom Hanks).
Der ehemalige Kapitän der Konföderiertenarmee reist 1870 durch Nordtexas und liest den Bewohnern abgelegener Siedlungen verschiedene Zeitungen vor. Von einer im Red River gesunkenen Fähre, von einer Meningitis-Epidemie in der Region, die bereits 97 Todesopfer gefordert hat, von dem amerikanischen Präsidenten, der Texas auffordert, die abolitionistischen Änderungen der Verfassung anzuwenden. Der Bürgerkrieg ist erst fünf Jahre her und die Scham der Niederlage sitzt hier noch tief.
Ein Mann schimpfte empört über die im Raum anwesenden Unionssoldaten. "Ich kann dich verstehen. Wir alle leiden. Das sind harte Zeiten“, sagt Kidd und dass jeder seinen Teil dazu beitragen muss. Es gelingt ihm, die aufgebrachten Zuhörer zu beruhigen.
Die westlichen „News from the World“ weisen viele Analogien zur Post-Trump-Ära auf
Der Wilde Westen, durch den Tom Hanks in The New World reitet, ist ein Land, das durch Bürger- und Indianerkriege moralisch zerbrochen ist, mit sichtbaren Analogien zum Amerika nach Trump. Auch hier bereiten sich die Verlierer mit aller Kraft auf ihre Niederlage vor. Rassismus ist auch hier der Motor der Spaltung der Gesellschaft. Auch hier glaubt der wütende Mob, die Gerechtigkeit selbst in die Hand nehmen zu können. Auch hier treibt die Wirtschaftskrise die Menschen in den Abgrund der Armut.
Selten hat ein Western mit konkretem historischen Kontext die gesellschaftliche Gegenwart so vielschichtig reflektiert. Doch in Peter Greengrass gelungener Genrevariante scheint alles nur im Hintergrund quer zu funktionieren. Im Mittelpunkt steht das sich langsam entwickelnde Vertrauensverhältnis zwischen dem reisenden Journalisten und einem Waisenkind, das sich verängstigt und besorgt im Gebüsch am Straßenrand versteckt. Ein Lynchkommando hatte das Auto angegriffen, das sie in die nahe gelegene Stadt bringen sollte, und den schwarzen Fuhrmann am nächsten Baum aufgehängt.
Die junge deutsche Schauspielerin Helena Zengel („Systemsprenger“) ist hier in ihrer ersten Hollywood-Rolle zu sehen. Sie spielt das deutschstämmige Mädchen, das als Kind nach einem Kampf mit Siedlern von Indianern entführt wurde und mit ihnen aufwuchs. Nach dem Tod ihrer biologischen Eltern wurden die Adoptiveltern kürzlich bei einem Massaker vom Kiowa-Stamm ermordet.
Paul Greengrass inszeniert den Netflix-Film „News from the World“ wie einen klassischen Western
Das zehnjährige Kind ist durch grundlegende Gewalterfahrungen schwer traumatisiert. Kyle versucht vergeblich, das junge Mädchen den überforderten Behörden der Besatzungsarmee auszuliefern und nimmt Johanna schließlich mit auf eine Reise zu ihren Verwandten, die ein paar hundert Kilometer weiter südlich in der Nähe von San Antonio leben. Die Odyssee dauert mehrere Wochen durch einsame Buschlandschaften und auf gefährlichen Straßen, auf denen ehemalige konföderierte Soldaten als bewaffnete Banden ihr Unwesen treiben.
Paul Greengrass, der sich mit den Filmen „Bourne“ und „Captain Phillips“ (ebenfalls mit Tom Hanks) eher im Qualitäts-Actionkino zu Hause fühlt, inszeniert die Geschichte nach Paulette Jiles‘ Roman als klassischen Western. Ohne modernisierenden Schnickschnack trifft der irische Regisseur auf den Rhythmus des Old-School-Genres. Die Anleihen reichen von The Black Hawk (1956) von John Ford bis True Grit (2010) von den Coen-Brüdern. Eine Schießerei mit Bösewichten, die Kyles Tochter „kaufen“ wollen, wird zu einem eigenen kleinen Meisterwerk zwischen verwinkelten Spalten.
'News from the World'-Rückblick: Helena Zengel kann ihre Rolle in 'Systemsprenger' getrost fortsetzen.
Angesichts der weiten Landschaftsaufnahmen sehnt man sich nach der großen Leinwand. Die Lesestunden des Nachrichtenkuriers in überfüllten Salons und Gemeindesälen entwickeln eine atmosphärische Dichte. Beflügelt wird das ganze Unternehmen aber vor allem von der ziemlich aktiven und langsam gereiften Vater-Tochter-Beziehung zwischen dem traumatisierten Waisenkind und dem ehemaligen Bundesoffizier, der mit seinen eigenen schrecklichen Erlebnissen und Taten zu kämpfen hat.
Der US-Star und die zwölfjährige Schauspielerin begegnen sich auf Augenhöhe. Zengel kann ihrer Rolle in „Systemsprenger“ perfekt folgen und überzeugt in den Momenten der aggressiven Verleugnung ebenso wie in den ruhigen Sequenzen, in denen sie kurz einen Blick auf die verletzte Seele ihrer Figur preisgibt. "Du musst nach vorne schauen", rät der alte Mann, nachdem Johanna die Überreste der Hütte ihrer verstorbenen Eltern besucht hat. Doch das Mädchen schüttelt den Kopf: „Um vorausschauen zu können, muss man sich erst einmal erinnern.“ Und dieser Rat weist auch auf das Hier und Jetzt eines Landes hin, das sich heute mehr denn je mit den Geistern seiner ungelösten Vergangenheit auseinandersetzt.
Ein Gespräch mit Schauspielerin Helena Zengel können Sie hier nachlesen:
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Quelle: Bewertungen Nachrichten
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